Marc Lüthi hat den SC Bern in der Neuzeit ähnlich geprägt wie Uli Hoeness den FC Bayern. Aber die Steuern immer bezahlt. Spass beiseite: Marc Lüthi steht genau so wie Uli Hoeness als Beispiel dafür, welche Bedeutung eine charismatische Persönlichkeit bei der Führung eines Sportunternehmens auch im 21. Jahrhundert hat.
Ob unten an der Seitenlinie und an der Bande oder oben im Büro, wo die Entscheidungen fallen: Alles steht und fällt mit der Kompetenz, der Erfahrung und eben auch dem Charisma, der Glaubwürdigkeit und dem Durchsetzungsvermögen des Chefs. Natürlich muss ein Sportunternehmen gut strukturiert und organisiert sein.
Aber es sind immer Persönlichkeiten und nie Strukturen und Konzepte, die die Exzellenz im Sport ausmachen. Weil ein Sportunternehmen jeden Tag kompetitiv zu sein hat. Weil die Führung eines Sportunternehmens gelebt sein muss. Weil die Führungspersönlichkeiten eines Sportunternehmens authentisch sein müssen.
Noch so kluge Selbstdarsteller und fachlich hochqualifizierte und gut ausgebildete Manager scheitern, wenn sie vom Sportunternehmen, das sie führen, nicht durchdrungen sind. Daran ist Raëto Raffainer gescheitert.
Geduld mag intern eine gute Eigenschaft sein. Aber Geduld interessiert die zahlenden Kundinnen und Kunden bei einem ganz erfolgsorientierten Sportunternehmen wie dem SC Bern nicht. Für jedes sportliche Versagen gibt es gute Erklärungen. Aber Ausreden verärgern die eigene Kundschaft. Dreijahrespläne sind gut für die interne Strategie. Aber öffentlich sorgen sie bei einem Sportunternehmen mit dem Bewusstsein eigener Grösse und Bedeutung wie dem SC Bern bloss für Spott und Hohn.
Wenn der oberste Chef – in diesem Falle Raëto Raffainer – für alles gute Ausreden parat hat, alles entschuldigt und sogar noch auf der klubeigenen Homepage erklärt, selbst eine Playoff-Qualifikation sei heute für den SCB nicht mehr selbstverständlich, dann ist ein Sportunternehmen wie der SCB verloren.
Denn wenn ganz oben für alles eine Ausrede parat ist, dann dauert es nicht lange, bis auch ganz unten – in der Kabine nämlich – jeder für alles eine Ausrede hat. Und wenn einer kommt wie Chris Di Domenico, der keine Ausreden akzeptiert, immer gewinnen will und so zum Querulanten wird, dann kommt es zum Eklat.
Bayern München findet nicht so rasch einen neuen Uli Hoeness. Der SCB findet keinen neuen Marc Lüthi. Also kehrt der alte Marc Lüthi zurück. Um dem neuen SCB wieder die alte Grösse zu geben. Allerdings unterschätzt er diese neue Herausforderung. 1998 übernimmt er einen wirtschaftlich darniederliegenden SCB. Aber der SCB ist sportlich im Kern gesund und hat erst 1997 den Titel geholt. So schwierig wie wirtschaftliche Sanierung damals nach der Nachlassstundung auch gewesen sein mag – eine sportliche Sanierung war nicht dringend erforderlich.
Nun ist der SCB nach der Pandemie wirtschaftlich wieder intakt. Aber sportlich ein viel grösserer Sanierungsfall als Marc Lüthi ahnt. Der Hochmut der drei letzten Titelgewinne (2016, 2017 und 2019) ist noch nicht verarbeitet und die Leistungskultur durch eine sportliche Misswirtschaft sondergleichen und durch völlig überforderte Trainer nachhaltig ruiniert worden. Nur Juniorencoach Mario Kogler hat seit der Entlassung vom Meistertrainer Kari Jalonen funktioniert.
Der Zorn von Marc Lüthi hat nun Raëto Raffainer und den Trainer aus dem Amt gefegt. Auch die Assistenten Mikael Hakanson und Christer Olsson werden noch gefeuert. Sie stehen ja für das völlig missglückte Experiment der antiautoritären Führung einer Mannschaft.
Nur Sportchef Andrew Ebbet darf vorerst bleiben und bekommt als Lohn für seinen schlauen Opportunismus eine zweite Chance: Er hat jeden Entscheid von Raëto Raffainer absegnen lassen und kann sich darauf berufen, ja gar keine Entscheidungskompetenz gehabt zu haben. Aber schon in wenigen Monaten wird sich weisen, ob er denn überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre, kompetent zu entscheiden.
Die unmittelbare sportliche SCB-Zukunft hängt von drei Faktoren ab.
Kann der SCB schon nächste Saison wieder ein Spitzenteam sein? Ja. Aber nur mit einem ausländischen Torhüter, den richtigen ausländischen Feldspielern und dem richtigen Trainer. Immerhin hat der SCB nun mit Marc Lüthi wieder den richtigen Manager. Das ist schon mal ein guter Anfang.
Dieses Larifari wieder auszutreiben ist nicht einfach. Wenn sogar Leistungsträger fragen, muss man den immer gewinnen, zeigt das, wie Tief das sitzt.
Zitat: Der SCB hatte nun drei Jahre hintereinander über alle Positionen gesehen und gemessen an den Möglichkeiten des Klubs die schwächsten Ausländer der Liga.
Wenigstens die hat Lüthi bekommen. Ob sie aber billig waren und zu Fuss kamen wie prophezeit, glaube ich nicht.